Der Verfall kombinierter Jagdwaffen

von Tobias Nisse

Deutsche Drillinge, ob Sauer & Sohn, Krieghoff oder Merkel, beliebter als je zuvor. Riesiges Interesse an der traditionellsten aller deutschen Jagdwaffen. Der klassische Drilling überzeugt immer mehr Jäger und Waffenfreunde vom praktischen und vielseitigen Einsatz. In der Heimat der kombinierten Waffe sind diese Aussagen leider nur eine Illusion. Deutschland hat dem Drilling den Rücken zugekehrt. Die Realität um all die hervorragend gearbeiteten Drillinge, Bockbüchsflinten und Co. ist mehr als ein Desaster, der Untergang von mehr als 80 Jahren erfolgreicher Produktion und Nutzung der Allzweckwaffen ist bereits seit Jahren absehbar.

Viele Drillinge aus den 1950er und 60er Jahren werden für einige hundert Euro im Internet verramscht, selbst damalige Spitzenmodelle, die einmal weit über 20.000 DM gekostet haben, werden für kleines Geld angeboten. Aufgrund des miserablen Absatzes erwägen viele Eigentümer gar nicht erst den Weg eines möglichen Verkaufes, sondern begleiten den letzten Weg der kombinierten Waffe zur behördlichen Vernichtung.

Betrachten wir doch mal die Vorteile des klassischen Drillings als Exempel für einen großen Teil der kombinierten Jagdwaffen aus deutscher Fertigung.

  1. Vielseitiger Einsatz, ob Ansitz oder Drückjagd, Nieder- oder Hochwild, ob Fuchs oder Ente. Drillinge eröffnen dem Schützen Möglichkeiten, wie keine andere Jagdwaffe sie bietet.
  2. Hochwertige zum Teil handgefertigte Qualitätsarbeit.
  3. Über den Einbau eines Einstecklaufes, noch individueller einsetzbar.
  4. Robuste Bauweise mit oft überragender Schussleistung.
  5. Ein Teil unserer Jagd- und Waffenkultur.

Kritiker mögen nun über den Rückgang des Hasen und der Fasane zu dem Entschluss kommen, dass eine kombinierte Waffe nicht nötig sei. Auch sei ein höheres Gewicht nicht vorteilhaft, immerhin müsse das ja getragen werden. Außerdem wird immer wieder vom schnellen zweiten oder dritten Schuss bei Drückjagden berichtet, bei dem ein Drilling eine schlechte Figur macht.

Die Realität liegt jedoch weit davon entfernt, der heutige Waidmann fährt mit dem SUV fast unter den Hochsitz und trägt seine Waffe nur einige Meter bis zur Kanzeltür. Die Mehrfachabgabe von schnellen Schussfolgen auf Drückjagden entspringt Illusionen aus faszinierenden Filmen gestellter Jagdszenen, in denen auch noch der achte Frischling sauber gestreckt wird.

Als Fachhändler für Jagdwaffen musste ich viel zu oft miterleben, wie sensationelle Drillinge für einen Bruchteil des eigentlichen Wertes gehandelt wurden. Da für mich unter keinen Umständen die Vernichtung dieser brillanten Jagdwaffen eine Option darstellte, kaufte ich selbst dann noch etliche Kombinierte, als bereits jedermann klar war, dass der Marktpreis einen Tiefpunkt erreicht hat und den auch nicht mehr verlassen wird.

Unterschätzte Qualität „made in Germany“?

Meine ganz persönliche Liebe und Verbundenheit zu dieser Art Jagdwaffe alleine stellt aber keine Wirtschaftlichkeit her, daher suchte ich nach Jägern, die diese Waffen mehr zu schätzen wissen als die heimischen Weidmänner es tun. Nach einigen Kontaktaufnahmen zu Händlern anderer EU-Staaten führte meine Reise nach Alabama in die USA. Als ich dort die Situation des heimischen Marktes erläuterte, blickte ich in fassungslose Gesichter. Für einen US-Amerikaner aus der Mittelschicht war eine kombinierte Jagdwaffe aus Deutschland eine unerschwingliche Luxuswaffe, die aufgrund des enorm hohen Preises der Oberschicht vorbehalten war.

Die Vorteile der von mir gezeigten Waffen lagen jedoch auf der Hand und die Amerikaner lieben „Made in Germany“. Aufgrund der Situation in Deutschland konnten wir nun unsere Drillinge zu einem Kampfpreis anbieten, zumindest für US-Verhältnisse.

Die Nachfrage nach Deutschen Qualitätswaffen ist enorm, die Faszination unserer deutschen Drillinge und aller anderen kombinierten Jagdwaffen hat die Jäger und Sammler im Süden der USA erreicht. Es geht hier um eine Wertschätzung der unzähligen Büchsenmacher, die mit viel handwerklichem Geschick, nicht immer unter optimalen Bedingungen, viele tausend Meisterstücke hergestellt haben – Wertschätzung zum Beruf, zum Handwerk, zur Passion der Herstellung von Jagdwaffen. Die Genauigkeit beim Aufbringen von Montagen, die unfassbare Leistung bei der kunstvollen Gestaltung der Waffengravur und nicht zuletzt die lange Tradition und Geschichte, insbesondere Suhler Waffen, beeindruckt die Amerikaner ungemein.

Dr. George Inge übernimmt auf US-amerikanischem Boden die Vermarktung der gebrauchten Kombinierer.

Nach dem Motto „Save the Gun“ erfülle ich mir selbst den Amerikanischen Traum und erfreue mich inzwischen an den vielen Momenten, wenn den Drillingen unter der Sonne des Südens der USA ein zweites Leben eingehaucht wird. Mein US-Partner scherzte jüngst über die Zukunft: „Wenn ihr in Deutschland in einigen Jahren erkennt, welchen Fehler ihr macht, solche Waffen zu verkaufen, dann können wir die Waffen ja zurück exportieren.“

Es ist ein Bekenntnis, dass jeder Jäger mit sich selbst ausmachen muss. Jedoch stelle ich mir des Öfteren die Frage, wie viel Weidmann noch unter dem Filzhut mit Nachtsichtgerät, Wärmebildkamera und halbautomatischer Büchse steckt. Die Vorurteile der Deutschen Jägerschaft gegenüber den amerikanischen Kollegen sind weit verbreitet und sicherlich auch ein Stück weit zutreffend, jedoch ist es völlig offen, welchen Weg die nächste Generation Jäger beider Länder einschlägt. Der immer stärker werdende Trend, nur noch mit technischem Gerät erfolgreich Jagen zu können, die riesigen Vergrößerungen unserer Zielfernrohre, der massive und sicherlich effektive Einsatz von Wildkameras sowie der mittlerweile in breiter Masse akzeptierte Waffentyp des Halbautomaten und nicht zuletzt der Untergang des Büchsenmacherhandwerks lassen doch die Mutmaßung zu, dass in einigen Jahren die gesamte deutsche Jägerschaft mit günstigen Plastikschaftwaffen mit schneller Schussfolge zur Jagd aufbricht, während in den USA die konservativen Jagdwaffen immer noch beliebter werden.

Als Fazit möchte ich euch Lesern mit auf den Weg geben: Schützt unsere jagdlichen Werte, gebt Opas Drilling eine Chance und erfreut euch an einem Stück unserer Waffengeschichte, auf das wir mit Recht stolz seinen können.

Weidmannsheil,

Tobias Nisse

2 Antworten auf „Der Verfall kombinierter Jagdwaffen“

  1. Super Beitrag,das ganze ist wirklich ein Jammer…
    Hier in der Schweiz sind sie immer noch weit verbreitet. Da wir die Füchse und Rehe mit Schrot schiessen, haben wir zusätzlich noch die Möglichkeit der Gams und Hirsch eine Kugel anzutragen.

    Weidmannsgruss

  2. Toller Beitrag! ich führe selbst seit 20 Jahren einen Sauer Drilling
    Bj. 1954, Der Drilling schießt perfekt und mit dem Hornet- Einstecklauf habe ich zwei Kugelläufe mit Stecher, darin liegt der
    entscheidende Vorteil gegenüber einer Bockbüchsflinte, die hinten
    nur den Flintenabzug hat.
    Viele Jäger sind einfach nicht in der Lag, einen Drilling zu bedienen
    und hatten schon in der Jagdprüfung Angst, an ihm geprüft zu werden.
    Der Drilling ist die klassische deutsche Waffe, noch dazu im Kaliber 8 x 57 IRS. Die unvollständigen Bockbüchsflinten sind
    völlig zu Unrecht fast genauso teuer!!
    Auch da Gewicht ist kein Argument, denn mein Drilling wiegt mit 8 x 52-iger Glas und Hornet- Einstecklauf gerade einmal 4,3 KG, mithin nicht mehr, als mein Repetierer.

    Waidmannsgruß

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