Rauschebärte

Mein Erlebnis mit zwei mir völlig unbekannten Touristen schildere ich vor kurzem Einstein. Seine Reaktion zeigt, dass wir beide aus gleichem Holz geschnitzt sind:

Das Hotel bot einen Grillabend an für Gäste, für 14.90 €, so viel man essen wollte. Neben mich setzten sich zwei schwarze „Rauschebärte, Moslems etwa“, unterhielten sich auf Deutsch. Im Gespräch erfuhr ich, beide seien Studenten, der eine aus Georgien, der andere aus Spanien, beide Goldschmiedegesellen. Sie lernten in einer Manufaktur das Schleifen von Rohedelsteinen. Sie waren so vertraut miteinander, fast liebevoll, dass ich zunächst annahm, sie seien nach dem neusten Trend  „Ehe für alle“ gerade miteinander verbandelt. Auf meine Frage, ob sie Moslems seien, winkten sie entrüstet, aber verständnisvoll ab. Ihre Bärte seien nur stylisch, erklärte einer fröhlich lachend. Und er sei verheiratet, habe zwei Kinder im Alter von zwei und vier Jahren.

Beide sogen den Geruch des Grillfleisches ein. Sie fragten, was sie machen müssten, um mitessen zu können. Ich rief die Chefin, die den beiden erklärte, dass sie pro Person 14.90 € zahlen müssten. Wenn sie sich nur eine Portion holen würden, würde sie 8.50 € berechnen. Daraufhin zahlte der eine 8.50 € und lud seinen Teller etwas voller, damit sein Kumpel mitessen konnte. Mit einem Seitenblick auf Einstein sehe ich, wie er schmunzelnd die behaarten Arme verschränkt. Als ich den übervollen Teller bemerkte, war mir klar, dass sie nicht genug Geld dabei hatten. Ich erklärte  der Chefin, dass ich auch nur eine Portion gegessen hätte, nicht mehr wolle und fragte, ob sie damit einverstanden sei, wenn ich dennoch den vollen Preis zahlen würde und der zweite Gast sich auf meine Kosten eine Portion einverleiben dürfe. Die Chefin war damit einverstanden, schaute mich total erstaunt an und lächelte.

Der junge  Bartträger ging zum Büfett, kam mit vollem Teller zurück. Beide bedankten sich freudestrahlend, irgendwie berührt. Sie fragten mich, welchen Beruf ich ausgeübt hätte. Daraus entspann sich ein intensives Gespräch über Kinder und Erziehungsfragen.  Als ich später wegfuhr, winkten sie hinter mir her. Nicht übertrieben, nicht aufgesetzt, eher freundschaftlich. „Wenn du deine Geschichte so erzählst, bekomme ich eine Gänsehaut“, lächelt Einstein. Er hätte ähnlich reagiert und diese Begebenheit zeigt ihm, dass wir beide im Laufe der Jahre nichts von unserer Spontanität und Menschlichkeit eingebüßt haben. Das beruhigt mich, wissend, dass wir die nächste Zeit intensiv miteinander verbringen werden.

Da muss die Chemie stimmen.

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