Umbruch im Wald

Warum Forst und Jagd zusammenhalten sollten

Erhöhte Waldbrandgefahr, bereits im Sommer fallendes Laub, herabrieselnde Nadeln, durstendes Wild. Wurde die diesjährige Witterung andernorts als herrlich bejubelt, konnten Jäger und Naturliebhaber die negativen Auswirkungen der Rekordwärme unmittelbar erleben. Doch das Jahr 2018 hat unsere Pflanzenwelt nicht nur witterungsbedingt vor einige Herausforderungen gestellt.

Ein Aufeinandertreffen verschiedener Faktoren sorgt dafür, dass das Bild unserer Wälder bereits seit dem frühen Sommer von am Boden liegendem Totholz, Laub und braun gefärbten Nadelholzstreifen geprägt wird. Eine nicht unerhebliche, wenn auch regional begrenzte Ursache, ist das am 18. Januar über die Mitte Deutschlands hinweggefegte Orkantief Friederike. Der Sturm hinterließ in den betroffenen Gebieten unter anderem die schlimmsten Forstschäden seit Kyrill (18. Januar 2007). In vielen Gegenden sind aktuell die Aufräumarbeiten dieses Wintersturms 2018 noch nicht abgeschlossen. Zu große Mengen an Holz mussten schnellstmöglich aus dem Wald gefahren werden, da das Frühjahr bevorstand und damit die Borkenkäfer in den Startlöchern.

Bilder: Wald und Holz NRW

Neben den offensichtlichen Baumschäden nach einem Sturm – umgestürzten oder abgebrochenen Bäumen – kommt es durch die Erschütterung zu Schädigungen der Feinwurzeln. Die Fein- oder Haarwurzeln erschließen den Bäumen in erster Linie Wasser und Nährstoffe. Im Gegensatz zu Grobwurzeln, die stabil und meistens verholzt sind, können die maximal zwei Millimeter dicken Feinwurzeln den durch Stürme ausgelösten Schwankungen nichts entgegen setzen. Die Wasserversorgung des Baumes und damit auch die Aufnahme der Nährstoffe aus dem Boden werden erschwert. Mit der flächendeckenden Trockenheit im Rest des Jahres ging den Wäldern kollektiv das Wasser aus.

Eine Baumart trifft es dabei besonders hart: die Fichte. Einerseits ist sie als Flachwurzler besonders sturmanfällig. Zusätzlich zu Wurzelschädigungen und Dürre ist die Fichte in 2018 mit ausgeprägter Fruktifikation beschäftigt. Hierbei handelt es sich nicht um eine Notfruktifikation, sondern um ein reguläres Mastjahr. Die extreme Samenproduktion ließ sich im Frühjahr deutlich an Wolken von gelbem Blütenstaub ausmachen.

So beansprucht wird die Fichte zu einer einfachen Beute. Angreifer wie der Borkenkäfer, haben ein leichtes Spiel und können sich dank reichem Angebot rasant vermehren. 2018 gibt es die größte Vermehrung des Borkenkäfers seit 1948. Zwar waren damals die Temperaturen ähnlich hoch wie heute, die Umstände im Forst allerdings ganz andere: kurz nach dem Krieg sorgte sich niemand um Waldschutz, es gab kaum Männer für die anstrengende Forstarbeit und hinzu kamen weite Teile von mit Munition verseuchtem Wald. In dieser Situation konnte der Käfer ungestört trockene Fichten befallen und sich massenhaft vermehren.

Mit 26% Anteil an der deutschen Waldfläche ist die Fichte die verbreitetste Baumart. Picea abies trägt nicht umsonst den Beinamen Brotbaum der Förster und Waldbesitzer, ist doch ihre Umtriebszeit mit 80 bis 100 Jahren relativ gering. Heute haben viele Fichtenschläge ein Alter von 70 bis 80 Jahren. Damals wurde nach den Kahlschlägen zugunsten von Reparationsleistungen vorhandenes Fichtensaatgut auf den Freiflächen genutzt. An mögliche Nachteile der dort entstehenden Monokulturen wurde damals nicht gedacht. Die Prioritäten der Bevölkerung lagen verständlicherweise beim Wiederaufbau, das ganze Land brauchte Bauholz. Heute sind genau diese Wälder ein gefundenes Fressen für die Borkenkäfer. In Europa gibt es über hundert verschiedene Arten von Borkenkäfern.
Dabei geht die mit Abstand größte Bedrohung von den auf Fichten spezialisierten Buchdruckern und Kupferstechern aus. Die größere Art, der Buchdrucker, befällt dickeres Holz, während sich der Kupferstecher mit Kronen- und Wurzelholz beschäftigt. Der weitaus dominierende Fichtenborkenkäfer ist dabei der Buchdrucker.

Der Lebenszyklus des Buchdruckers

Etwa Mitte bis Ende April starten die männlichen Buchdrucker ihren Schwärmflug. Die Temperaturen müssen dafür bei mindestens 16,5 Grad liegen, trockene Witterung ist ebenfalls nötig. Merken kann man sich dafür: sieht man im Frühjahr die ersten Zitronenfalter fliegen, beginnt auch der Käferflug.

Auf der Suche nach einem Brutraum, fliegen die Buchdrucker die nächstmögliche Fichte an. Ist ein passender Wirt gefunden, verströmen sie ein Pheromon, das weitere Männchen anzieht. Ist der ganze Stamm besetzt und kein Platz für weitere Käfer vorhanden, wird dies ebenfalls über Duftstoffe kommuniziert. Die noch fliegenden Buchdrucker werden sich daraufhin einen anderen Baum suchen. Borkenkäfer können mit „Rückenwind“ sogar kilometerweit fliegen, wenn es nötig ist. Allerdings landen sie stets auf dem nächstmöglichen Baum, so dass der Flug nur so lang wie nötig ist.

Die ersten, einzelnen Ankömmlinge können vom Baum noch eingeharzt und damit außer Gefecht gesetzt werden. Erst die darauf folgenden Käferschwärme sind in der Lage die Fichte nachhaltig zu schädigen und schließlich abzutöten. Ist die Fichte gesund, kann sie eine geringe Anzahl Buchdrucker durchaus durch Harzfluss abwehren. Vielen diesjährig durch Trockenheit, Sturm und Mastjahr geschwächten
Fichten gelingt das nicht. Da die Anzahl der Angreifer durch eine wachsende Populationsdichte nicht gering bleibt, fallen ihnen nicht nur vorgeschädigte, sondern auch vormals vitale Fichten zum Opfer.

Haben die männlichen Buchdrucker ihren Wirt gefunden, bohren sie sich mit Hilfe ihrer Beißwerkzeuge eine Eingangsröhre. Das dabei anfallende braune Bohrmehl kann, sofern nicht vom Regen verwaschen, einen Befall anzeigen. Unter der Rinde wird nun eine sogenannte Rammelkammer angelegt. Sie befindet sich in der nicht verholzten Bastschicht des Baumes, die für den Nährstofftransport zuständig ist. Die weiblichen Käfer legen nach der Befruchtung 80 bis 100 Eier pro sogenannten Muttergang. Es schlüpfen weiße Larven, die sich durch die Bastschicht fressen. Dabei ist deutlich zu erkennen, wie auch die Gänge mit wachsendem Larvenumfang breiter werden. Schließlich verpuppen sich die Larven in einer sogenannten Puppenwiege, aus denen sie als hellbraune Jungkäfer schlüpfen.

Ein Weibchen kann bis zu 200.000 Nachkommen erzeugen. Buchdrucker können ein Alter von 20 Monaten erreichen. Das heißt, auch eine Überwinterung ist möglich. Innerhalb des laufenden Jahres 2018 sind ganze drei bis vier neue Generationen hinzugekommen, während es in weniger trockenen Jahren höchstens zwei neue Generationen gibt. Eindämmen kann die Population nur ein kalter Winter mit zwischenzeitlichen milden Phasen. Während andauernder Frost den Buchdruckern wenig ausmacht, überleben sie ein mehrfaches „Einfrieren“ und wieder Auftauen nur selten.

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